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  Calming Signals
 
Nein, ich versuche hier nicht, eine neue Ausbildungsmethode an den Mann zu bringen!
Und was ich hier jetzt vermitteln möchte, ist für unsere Hunde auch nichts neues. Aber für viele von uns, denn wir Menschen haben leider mal wieder recht lange gebraucht, bis wir verstanden haben.

Was sind denn Calming Signals?

Auf deutsch übersetzt heissen sie Beschwichtigungssignale. Das sind Signale, die einen grossen Teil der Körpersprache unserer Hunde ausmachen.
Durch Informationen aus Wolfsbeobachtungen wissen wir, dass diese ein umfangreiches Repertoire an Signalen einsetzen, um Konfliktsituationen innerhalb des Rudels zu vermeiden. Aber erst der norwegischen Hundeexpertin Turid Rugaas haben wir es zu verdanken, dass diese Signale nun auch bei unseren Hunden erkannt und erfasst wurden.


Und wofür braucht der Hund die?

Als soziales Lebewesen sind unsere Hunde immer sehr darauf bedacht, friedlich miteinander zu leben. Und um Konflikte zu lösen oder zu verhindern (je nach Situation), benutzt der Hund eben diese Signale. Aber auch, um sich selbst zu beruhigen, werden diese gerne von unseren Vierbeinern eingesetzt.
Wenn ein Hund einen Konflikt lösen möchte, dann bedeutet es, dass ihm bereits unwohl ist. In diesem Fall zeigt uns der Hund damit, dass er mit der momentanen Situation Probleme hat. Er drückt uns aus, dass er unter Stress steht.
Um Frieden zu erhalten und Konflikte zu verhindern, benutzt der Hund diese Signale, um auszudrücken, dass er keine negativen Absichten hat und keinen Stress verursachen möchte.

Und was für Signale sind das?

Nun, es gibt eine ganze Reihe von Signalen. Folgende Signale (sie können einzeln oder auch in Kombination zueinander auftreten) wurden bisher beobachtet:

  • Den Kopf abwenden - der Hund dreht seinen Kopf entweder zu einer Seite und hält ihn dort, oder aber er wechselt langsam von einer Seite auf die andere. Diese Bewegung kann nur schwer sichtbar sein oder aber auch extrem übertrieben vorkommen.
  • Auch wir können dieses Signal wunderbar einsetzen. Wenn uns z.B. einem/unserem Hund nähern müssen, der sich damit offensichtlich unwohl oder gestresst fühlt, dann können wir stehen bleiben und den Kopf abwenden oder auch von einer Seite auf die andere bewegen - langsam.

  • Den Blick abwenden - daneben gibt es auch die Möglichkeit, dass der Hund nur den Blick abwendet, nicht aber den ganzen Kopf. Einge Hunde sind möglicherweise einfach so unsicher, dass sie total erstarren. Für sie ist ein Kopf abwenden vielleicht schon zuviel, sie können aber mit den Augen arbeiten. Aber nicht nur "vor Angst erstarrte" Hunde nutzen dieses Signal. Jeder Hund setzt die Signale ein, mit denen er verstanden wird.
  • Auch hier gilt wieder: ein gutes Signal, dass wir leicht anwenden können, wenn wir z.B. einem extrem ängstlichen Hund gegenüberstehen, für den jede Kopfbewegung schon zuviel ist.

  • Den Körper abdrehen - der Hund dreht seinem Gegenüber die Seite oder gar das Hinterteil zu. Dieses Zeichen ist extrem deutlich und wird daher meist gezeigt, wenn anderes entweder nicht gewirkt hat oder aber der Hund sich quasi überrumpelt fühlt. Man sieht es z.B. häufiger, wenn ein Hund recht stürmisch und zielstrebig auf einem anderen zuläuft; dann wendet dieser sich ab und setzt sich vielleicht hin o.ä.
  • Wie oben erwähnt, kann man auch das Abdrehen des Körpers einsetzen, wenn der Hund sehr erregt scheint. Auch wenn wir uns bei einer extrem stürmischen Begrüßung unseres Hundes abwenden zeigen wir ein Calming Signal, um unseren Hund zu beruhigen.

  • Züngeln - der Hund leckt sich (meist blitzschnell) mit der Zunge über die Nase oder das Maul. Auch wenn es ein bisschen Übung bedarf, so sieht man dann dieses jedoch sehr häufig. Bei Justin z.B. ist es definitiv sein häufigstes Signal, besonders auch, um sich selbst zu beruhigen (bei lauten Geräuschen)
  • Es mag albern wirken, aber von meinem Hund wird es sehr gut verstanden. Wenn ich zum kuscheln herankomme, dann beantworte ich das Züngeln meines Hundes ebenfalls z.B. mit einem Lecken meines Mundes und er entspannt sich sichtlich.

  • Gähnen - ein besonders sichtbares Zeichen. Der eine Hund gähnt nur ganz kurz, der andere sehr lang und ausgiebig. Meist kommt vom Halter dann nur der Kommentar "Bist Du schon wieder müde". Aber das ist es in den seltensten Fällen. Man sieht viele Hunde gähnen, wenn sie aufgeregt umherwuseln, weil der Besitzer sich zum Spaziergang fertig macht oder aber auch, wenn jemand in der Familie sich laut streitet. Und das sind nur einige Beispiele.
  • Da auch wir Menschen gähnen, wenn wir angespannt oder gestresst sind, ist dieses für uns ein ganz natürliches Signal. Also sollten wir es auch unbedingt nutzen. Nun ist es selten so, dass es gleich beim ersten Mal wirkt, also muss man ein bisschen häufiger gähnen. Ihr werdet sehen, ihr selbst werdet auch ganz entspannt - neben dem Hund.

  • Erstarren oder langsam bewegen - bei Begegnungen bleiben einige Hunde ganz ruhig stehen oder bewegen sich in dichterem Umfeld zum Gegenüber bewusst sehr langsam. Natürlich kann der Hund auch im Sitzen oder Liegen (ebenfalls Calming Signals) erstarren. Das kann auch entweder auf Entfernung bereits beginnen oder aber, wenn bei einer Begegnung Spannung aufzukommen droht (z.B. bei 2 Rüden). Auch, wenn wir unseren Hund verbal strafen sieht man nicht selten, dass er "einfach nur so dasteht". Das heisst dann nicht, dass er uns ignoriert. Wenn unser Hund sich also in einer Hundegruppe langsam bewegt, dann sollten wir ihm unbedingt die Zeit lassen und nicht immer lauter werdend nach ihm brüllen.
  • Wenn wir das Erstarren einsetzen wollen, dann würde ich mir wünschen, dass wir es eher ein einfaches Stehenbleiben nennen. Die meisten Hunde kennen von uns Menschen ein Erstarren oft als Vorläufer zum Strafen, damit würden wir genau das Gegenteil erreichen. Sehr wohl aber können wir uns langsam bewegen, wenn unser Gegenüber Unruhe zeigt.

  • Blinzeln - für dieses Signal muss man ein bisschen üben, um es zu bemerken. Aber es wird ganz gezielt eingesetzt.
  • Da Blinzeln auch bei uns natürlich ist, brauchen wir dieses nur einmal ganz gezielt einsetzen und schon können wir wunderbar beschwichtigen.

  • Spielhaltung - oder auch Vorderkörpertiefstellung. Bei der Vorderkörpertiefstellung fehlt gegenüber der Spielhaltung oft die ruckige Bewegung. Meist geht der Vorderkörper hinab und wird so gehalten oder aber er geht schnell wieder hoch. Man sieht allerdings auch oft, dass auch die Spielhaltung ansich (mit anschliessender kurzer Spieleinlage) eingesetzt wird, um Spannung aus einer Situation zu nehmen.
  • Diese Haltung gehört nicht gerade zu unserem Repertoire, da wir meist aufrecht gehen. Aber wenn wir unsere Scheu überwinden, können wir so sehr deutlich hündisch sprechen.

  • Schnüffeln - ein Hund schnüffelt oft um "Zeitung" zu lesen. Das kennen alle. Aber es ist auch ein häufig zu beobachtendes Calming Signal. Das Schnüffeln wird in vielen verschiedenen Variationen gezeigt. Es ist kann von einem übertriebenen "Bodeninhalieren" bis zu einem simplen kurzen Schnüffeln oder Boden antippen auf der Stelle variieren. Wenn man jeweils die komplette Situation im Auge hat, wird man den Unterschied gut erkennen. Besonders z.B. wenn in einem Trio 2 Hunde sehr wild toben. Dann sieht man den 3. Hund nicht selten so lange am Boden schnüffeln, bis auch die anderen beiden es tun. Oder aber der Hund weicht einer vermeintlichen Gefahrenquelle schnüffelnd einen Bogen laufend aus.
  • Wenn ich dieses Signal benutze, dann stecke ich natürlich nicht meine Nase in den Erdboden. Aber ich hocke mich hin und unterschuche scheinbar unheimlich interessante Dinge im Gras...sehr wirkungsvoll.

  • Sich hinsetzen oder hinlegen - bei vielen Hunden ist es bekannt (besonders das Hinlegen) und oft wird es belächelt. Dabei zeigt der Hund (natürlich je nach Situation) so sehr deutlich, dass er entweder sich oder sein Gegenüber beruhigen möchte. Um das zu unterstützen, dreht unser Hund beim Hinsetzen gern auch noch seinen Rücken zum "Angesprochenen".
  • Wir können uns also einfach mal niederlassen und unseren Hund entspannt bei uns behalten, wenn er sich gerade z.B. durch hitziges Spiel hochgepuscht hat.

  • Urinieren - nicht immer hat es etwas mit Revierabsteckung oder der beliebten Dominanz zu tun, wenn Hunde markieren. Die neusten Beobachtungen zeigen, dass es oft auch benutzt wird, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln. Aber auch, wenn der Hund unter Stress steht, tritt es oft auf.

  • Wedeln mit der Rute - wie wir ja bereits wissen, bedeutet es nicht Freude, sondern einen Konflikt. Und so setzt der Hund das Wedeln auch ein, um diesen abzuwehren. Nicht selten tritt es in Verbindung mit anderen Signalen auf. Wenn der Hund in lautem Ton beschimpft wird, dann steht er meist mit langsam wedelnder Rute vor uns und schaut weg. Man könnte es bildlich als eine "weisse Fahne" nehmen, die geschwenkt wird.

  • Einen Bogen gehen - Hunde gehen in den seltensten Fällen frontal aufeinander zu, sondern laufen meist einen Bogen. Je nach Situation und eigener Empfindung der Situation kann das ein ganz offensichtliches Ausweichen sein, oder aber auch nur ein kurzfristiges Abweichen kurz vor dem Gegenüber.
  • Für uns sollte es eigentlich sogar selbstverständlich sein, nicht frontal auf einen Hund zuzugehen.

  • die Pfote heben - es muss ja nicht immer in Pföteln "ausarten", meist ist es nur ein ganz leichtes und für uns oft kaum sichtbares Anheben einer Vorderpfote. Auch dieses wird oft übersehen, weil es einfach wie ein kurzes Einfrieren in der Vorwärtsbewegung wirkt.

  • Splitten - bedeutet das Dazwischengehen oder auch Trennen. Beim Splitten zweier zu wild tobender Hunde läuft ein dritter von hinten trennend zwischen die beiden "Spielpartner", um ein Eskalieren der Situation zu vermeiden. Man sieht das Splitten auch oft, wenn sich 2 Menschen (für den Hund zu) eng umarmen oder auch, wenn seinem Hundeführer jemand zu nahe kommt (aus seiner Sicht).
    Wir können unserem Hund mit diesem Signal wunderbar helfen, indem wir uns z.B. zwischen ihn und die Ursache seines Konfliktes stellen oder den Hund auf der abgewandten Seite führen.

  • andere Signale:
  • noch immer sind nicht alle Calming Signals auch als solche erfasst. Es wird vermutet, dass auch das Sich-Kratzen dazugehört. Es wurde ja bereits auch seit längerem schon als sogenannte Übersprunghandlung mit der Verunsicherung des Hundes in Verbindung gebracht.
    Ebenfalls als Calming Signal eingeschätzt wird das Herumalbern eines Hundes sowie das offensichtliche Lächeln.
    Auch das Schmatzen wird als solches Signal vermutet. Ich selbst kann es bei Pivo häufiger mal beobachten, wenn ich ihn umarme. Es ertönt kurz und kaum hörbar.
    Etwas, was ich bisher noch nirgends gelesen habe, ist das Niesen. Ich selbst würde aber vermuten, dass es auch zur Beschwichtigung eingesetzt wird. Wenn Pivo tobt, ist es bei wilden Rangeleien bei ihm oft zu beobachten. Es besteht meist aus mehreren kurz aufeinander folgenden kurzen Niesern, ohne Anzeichen, dass ihm etwas in der Nase kribbeln könnte.

    Und was sagen uns nun diese Calming Signals?

    Wie oben ja bereits erwähnt, nutzen Hunde diese Signale, um Konflikte zu verhindern oder zu lösen oder aber auch, um sich selbst zu beruhigen. Aus was diese Konflikte bestehen liegt im jeweiligen Ermessen des Individuums.
    Und während der Hund einmal diese Signale nutzt, um zu sagen "ich bin verunsichert, bitte tu mir nichts", sendet er mit ihnen beim nächsten Mal aus "beruhige Dich, ich habe keine schlechten Absichten". Hunde untereinander verstehen es, der Situation entsprechend.
    Mit uns Menschen haben sie leider oft die Probleme, dass wir ihre Signale nicht wahrnehmen. Auch uns gegenüber werden diese sehr viel eingesetzt, aber wir registrieren es nicht. Oder noch viel schlimmer: wir halten sie für Ungehorsam und bestrafen den Hund auch noch dafür, dass er versucht uns zu beschwichtigen.

    Benutzt jeder Hund Calming Signals?

    Im Grunde schon. Bereits bei neugeborenen Welpen kann man ein zaghaftes Gähnen erkennen, wenn diese hochgehoben werden. Natürlich gibt es, wie überall, auch Ausnahmen. Hunde, die nie Kontakt mit Artgenossen hatten, können diese verlernen. Aber mit geduldigem Training, kann man seinem Hund das Beschwichtigen wieder beibringen.
    Und wie oben bereits angesprochen, ist leider auch oft der Mensch schuld daran, wenn sein Hund diese Signale nur noch selten einsetzt. Durch Strafe im gänzlich falschen Moment werden ihm die Calming Signals quasi aberzogen.

    Kann der Mensch diese Signale auch verwenden?

    Wir können nicht nur, wir sollten unbedingt! Gerade in Situationen, in denen unser Hund offensichtlich unsicher, gestresst, nervös ist sollten wir diese benutzen, um ihn zu beruhigen.
    Es ist schliesslich nichts dabei, den Kopf von einer Seite auf die andere zu drehen, den Blick abzuwenden, sich über die Lippen zu lecken oder sogar zu gähnen. Auch einen Bogen zu gehen, wenn ein Hund offensichtlich nervös ist, oder aber bei - durch Hundebegegnungen gestressten - Hunden als Mensch splittend dazwischen gehen sind Möglichkeiten für uns. Es wirkt manchmal Wunder! Und es hilft dem Hund ungemein.


    Muss man diese Calming Signals unbedingt kennen?

    Ja, Ja und noch mal Ja! :-)
    Mindestens genauso wichtig wie das verwenden dieser Signale - wenn nicht noch wichtiger - aber ist, dass wir die Signale, die unser Hund gibt verstehen lernen. Wenn ich meinen Hund eng umarme und er beschwichtigt unentwegt, dann ist ihm diese Berührung offensichtlich unangenehm und ich sollte ihn nicht dazu zwingen.
    Unsere Hunde versuchen so oft, uns zu verstehen, also sollten wir uns wenigstens ein bisschen Mühe geben, sie auch zu verstehen. Es fördert auf jeden Fall das Vertrauen!

    Und zu guter Letzt: 
    Absolut empfehlenswert zu diesem Thema sind auch die Videos und das Buch von Turid Rugaas, zu beziehen im Shop bei animallearn.

    Aber am meisten könnt ihr wohl lernen, wenn ihr Eure Hunde ganz genau beobachtet - bei Hundebegegnungen wie auch bei Interaktionen mit Euch. Sie sind bessere Lehrmeister als alle Videos oder Bücher!


     
       
     
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